Archiv der Kategorie: Taijiquan

Meine Taijiquanempfehlung für Wiener

oder für einige Zeit in Wien lebende Menschen.

Wenn Sie nach einem Schnellsiederkurs für Selbstverteidigung suchen, oder ein esoterischer Energiejunky, ein Akrobat, ein unbesiegbarer ehrwürdiger Krieger, ein Straßenkämpfer oder einfach nur der beste Kampfkünstler (Kampfsportler ist noch undenkbarer) werden wollen, dann habe ich kaum einen guten Rat für Sie, außer eventuell gezielt danach googlen.

Yin und Yang
Wenn Sie aber einfach nur unsterblich werden wollen, dann lesen Sie bitte weiter (nein, das ist keine Satire, sondern mein Ernst). Für die Ungeduldigen (Taijiquan könnt ihr ja noch nicht) nehme ich zuerst einmal alles vorweg und führe euch direkt zum Ziel – das Shu Jian von Paris Lainas.
Nun, den Geduldigeren sage ich, dass ich einige gute (und noch mehr schlechte) Taijiquan-Kurse bzw. Schulen kenne. Bedenken Sie bei der Wahl des Lehrers (Meisters), dass nicht nur sein Ruf und seine Bekanntheit und auch nicht nur seine Fähigkeit als Lehrer und in der Kampfkunst wichtig ist, ja sogar die Sympathie reicht mir nicht, es muss da für mich persönlich einfach mehr da sein. Mein Lehrer (Meister) muss Taijiquan leben.
Doch die Menschen sind unterschiedlich und haben daher verschiedene Ansprüche. Manche brauchen viele Perspektiven und andere werden schon durch zwei verwirrt. Manche Menschen haben eher ein visuelles, taktiles, akustisches oder was auch immer für ein Verständnis und andere gar keines. Der Lehrer ist ebenfalls nur ein Mensch, wie ich, der sich auf etwas spezialisiert hat und daher hat er ebenfalls ein bevorzugtes Verständnis. Wenn er in die Breite gehen muss und ich Details brauche oder wenn er in die Tiefe gehen muss und ich Divergenz brauche, dann kann es nicht “mein” Meister sein.
Ich kenne Koriphäen in der Kampfkunst, die noch dazu als Mensch auch sehr sympathisch sind und trotzdem können sie mir in Taijiquan kaum weiter helfen.
Ich kenne aber auch Lehrer, die mir zu religiös sind und auch solche, die meiner Meinung nach, nicht einmal als Taijiquan-Schüler akzeptiert werden dürften. Ich meine damit Leute, die sich als TCC-Lehrer ausgeben und Taijiquan als Kampfsport bezeichnen und meinen, dass man Taiji kann, wenn man die Peking-Form kann, wobei die Bewegungen einfach nur nachgemacht werden. Als ich einen solchen Lehrer um Anwendungen der einzelnen Figuren fragte, meinte er, dass sei nicht das Ziel des Unterrichtes und als ich ihm zu einer Runde Tui Shou aufforderte, meinte er, dass er Taiji unterrichte, aber nicht irgend einen seltsamen Kampfsport, wie Tui Shou. Natürlich glaubt mir das niemand, denn es ist wirklich wahr. Da ich niemand bloß stellen möchte, erwähne ich den Kurs nicht, aber er war jedenfalls recht billig. Ein Semester kostete ungefähr so viel, wie 2 Monate im Shu Jian, allerdings kann man nur ein mal pro Woche üben. Da lernt man ein paar Bewegungen nachzumachen und nennt es Taiji.
Mir hat eine Stunde genügt, also zahlte ich den Preis eines Semesters für eine Stunde, aber das war mir die Erfahrung wert.

Tai Chi ist mir zu langsam zur SV – LOL

“Kennt jemand einen anderen Kampfsport, weil mir Tai Chi zu langsam ist zur Selbstverteidigung” las ich unlängst in einem Forum.

Ich will ja niemanden zu nahe treten, aber so einen halblustigen Blödsinn habe ich auch noch selten gelesen. “Tai Chi” ist gar nichts, außer zwei transkribierte chinesische Wörter, die übersetzt etwa der höchste Punkt (Pool….) bedeuten und sonst gar nichts. Wenn mit “Tai Chi”, aber Taijiquan oder Tai Chi Chuan (englisch) gemeint sein soll, dann kann keine ähnliche Sportart gesucht werden, denn traditionelles Taijiquan ist sicher kein Kampfsport (beim Sport gibt es Wettbewerbe, Punkte usw), sondern eine innere Kampfkunst, die absolut alles andere als langsam ist. Ich möchte sogar behaupten, dass Tai Chi Chuan Meister schneller sind, als alle anderen Kampfkünstler, die ich aber sicher nicht mit Kampfsportlern gleichzeitig nennen möchte. Schneller deshalb, weil sich ein Muskel nach den Gesetzen der Physiologie zuerst entspannen muss, bevor er sich für eine bestimmte Willkürbewegung anspannen kann, wie es bei den äußeren Kampfkünsten, auf niedrigem Niveau zumindest, der Fall ist.
Über die Naturgesetze und physiologische Fakten wird man sich kaum hinwegsetzten können, aber wer Taijiquan für langsam hält, nur weil langsame und sogar extrem langsame Bewegungen eine Übungsmethode sind, (ja sogar langes stehen in der Stehmeditation ist eine wichtige Taijiquan Grundübungen, also überhaupt keine sichtbar Bewegung) dem kann ich sicher nichts über Taijiquan erzählen, denn der hat absolut keine Ahnung wovon er spricht und offensichtlich auch kein echtes Interesse.

Wer Selbstverteidigung nötig hat, sollte sich vielleicht einen Waffenpass zulegen, oder sich zumindest einem System zuwenden, dass dafür geeignet ist, wie Krav Maga oder unzählige andere Systeme, die Selbstverteidigung anbieten und in ihrem Programm haben. Empfehlen würde ich meinen Freunden aber eher, dass man gefährliche Situationen wenn möglich von vornherein meidet und sonst vor allem sein Herz und Hirn einstetzt, statt seine Muskeln für den Kampf zu trainieren.

Aikido wird in diesem Zusammenhang auch gerne erwähnt, allerdings handelt es sich dabei ebenfalls um eine innere Kampfkunst und somit kann man schon mit vielen Jahren täglichem Training rechnen, bis man damit Erfolg haben kann. Vorher ist es zur Selbstverteidigung meiner Meinung nach völlig wertlos und höchstens gefährlich, wenn man im falschen Glauben lebt, dass man sich bei einem Angriff wehren könnte und womöglich etwas gerade im Dojo gelerntes versucht, statt weg zu laufen. Ja und selbst nach jahrelangem, täglichen Training sollte man bedenken, dass in Aikido immer nur Standardsituationen eingeübt werden. Wenn man von einem wild gewordenen Verrückten auf der Straße angegriffen wird, so wird dieser aber vielleicht nicht die rechte Hand zum Angriff heben und dabei das rechte Bein vorne haben usw., sondern wahrscheinlich völlig irrational und unorthodox, gemeingefährlich, rasend und unberechenbar sein. In so eine Situation werde ich hoffentlich nie kommen, aber wenn es doch geschehen sollte, dann möchte ich eigentlich nur eines – irgend eine Fluchtmöglichkeit.

Taijiquan: Theorie und Praxis

Die Praxis tut mir seit Jahren gesundheitlich und mental sehr gut und die Theorie fasziniert mich außerordentlich, doch wie sehr ich mich auch bemühe, so bleibt mir doch sogar der geringste Erfolg bezüglich Kampfkunst verwehrt. Ich glaube, ich werde es nie kapieren. Ich übe täglich seit Jahren soviel, wie es mir mein Körper erlaubt und lese, sehe, höre bzw. lerne soviel, wie es mir mein Hirn erlaubt und dazu gehört schon auch ein Herz, aber ich werde mir dabei immer nur sicherer, dass ich es wahrscheinlich nie erlernen kann. Am Anfang waren die Formen und Bewegungen, dann das Chi, dann die Theorie und Philosophie, schließlich die Religion und jetzt befürchte ich, dass es nur wenigen möglich ist, Taijiquan zu leben oder tatsächlich zu können und ich nicht dazu gehören werde.
Man kann weder vorgehen wie im Leistungssport, noch wie in der Wissenschaft, trotzdem habe ich viele Bücher mehrmals gelesen und immer verstanden, doch nie hat es funktioniert. Ich versuche mich bei meinem Lehrer und es funktioniert, aber leider nur bei ihm.
Ich denke, dass Theorie und Praxis nirgends soweit divergiert wie bei Taijiquan, obwohl beides gut ist. Manchmal erscheint es mir, als würde Theorie hier überhaupt keinen Sinn machen, aber ich kann es nicht beurteilen, weil ich ja leider nicht Taijiquan kann. Selbst wenn endlich die Lausbubengedanken bezüglich Chi endlich aus dem Kopf sind und mir jede Diskussion darüber völlig egal ist, weil ich meine Lebensenergie ganz genau kenne, nützt mir das gar nichts, denn ich kann nicht darüber bestimmen. Ich kann sie nicht steuern oder “verdammt noch einmal” sinken lassen. Manchmal gelingt es mir zwar, aber dann weiß ich sofort wieder nicht, wie ich es gemacht habe und schon ist alles wieder in der oberen Hälfte meines Körpers. Alles passiert dann wieder langsam (also normal schnell) und mit roher Kraft.
Mein Lehrer demonstriert rohen Krafteinsatz und der Fauststoß sieht wirklich sehr kräftig und schnell aus, aber wenn dann ein lockeres Fajin zum Vergleich folgt, sieht man sofort, dass dies unvergleichbar schneller und wirksamer ist. Ich kenne Techniken, verstehe und übe sie, aber zeige ich sie meinem Lehrer, tue ich mir höchstens weh dabei.
Ach Laotse, wie lange dauert das nur, bis man das Tai im Taijiquan erkennt?

Stehende Säule als Yoga-Übung

Ich habe mir hier schon öfter etwas zur Basis des Chen Stil Taijiquan, der “Stehende Säule” bzw. zu “Zhan Zhuang” notiert, siehe z.B. Der Weg der Stehenden Säule, Zhan Zhuang und nun finde ich sie interessanter weise auch als Yoga-Übung wieder.

Siehe dazu auch
https://www.youtube.com/watch?v=MT07LtnVR-U und auf Wikipedia fand ich gerade einen neuen Absatz dazu:

Das Zhan Zhuang (站庄) oder die „Stehende Säule“ bildet die Grundlage des Übens. Mit ihrer Hilfe baut man den Körper lotrecht und zentrumsorientiert auf. Dabei sind detaillierte Haltungskorrekturen durch einen fähigen Lehrer von überragender Wichtigkeit. Durch langes Stehen in immer besser ausgerichteter Struktur wird einerseits der Geist zur Ruhe gebracht, andererseits die Grundlage für die innere Alchemie geschaffen, wobei das „Schwere“ nach unten durchsinken kann und dadurch das „Leichte“ aufsteigt, nämlich insbesondere das „Shen“, die vergeistigte Form der körpereigenen Energie Qi. Das Shen bildet übrigens auch die Grundlage für alle Formen der sogenannten „Erleuchtung“. Andererseits erlaubt das Sinkenlassen des Gewichts die Ausbildung eines erstaunlich stabilen Standes – die sogenannte „Wurzelkraft“. Ein Meister dieser Kunst kann völlig entspannt dastehen, auch wenn mehrere Leute gleichzeitig mit aller Kraft versuchen, ihn wegzuschieben.

Auf der Seite findet man auch eine Absatz zu Chánsīgōng (Seidenfandenübungen über die ich mir hier auch schon einiges notierte), also den auf die “stehende Säule” aufbauenden Basisübunen im Chen Stil.

Ich praktiziere die “stehende Säule” nun seit etwa 1 1/2 Jahren mehrmals wöchentlich und habe dabei gemerkt, dass sich zwar im positiven Sinn etwas geändert hat, aber gleichzeitig wird mir auch immer deutlicher klar, dass ich mich noch nicht einmal als Anfänger bezeichnen kann, sondern immer noch ein völlig Ahnungsloser bin. Die Introspektive im Stehen bei gleichzeitiger Entspannung und Feinausrichtung der Struktur ist für mich eine hervorragende Methode zur Selbstfindung und zur Medidation. Außerdem kann man sie fast überall ausführen, wodurch es für mich keine Wartezeiten mehr gibt. Ein paar Minuten bis der Bus oder die U-Bahn kommt werden mir damit zu einem Erlebnis und ich staune über mich selbst, wenn mir auffällt, wie leicht es mir inzwischen fällt in eine angenehme Position beim aufrechten Stehen zu kommen.
Bei den Korrekturen durch meine Taijiquan Lehrer hat sich ebenfalls viel geändert. Anfangs waren sie mir sehr unangenehm, weil sie mich immer in eine fast unerträgliche Stellung brachten, die ich kaum beibehalten konnte und eine Entspannung war mir dabei völlig unmöglich. Inzwischen fühle ich mich aber nach den Korrekturen oft noch besser, stabiler, richtiger Positioniert, als vor der Korrektur. Dann ist mir eine Entspannung möglich, in der ich nur mehr aufpassen muss, dass ich dabei nicht einschlafe und umfalle.
Die “stehende Säule” möchte ich wirklich nicht mehr missen und die alternative Übung dazu, die wir im Shu Jian praktizieren mache ich auch gerne. Sie sagen 13 Stellungen oder 13 Bewegungen dazu. Mir ist diese Übung sonst noch nirgends unter gekommen und ich fand sie bisher auch in keiner Literatur, aber es handelt sich um die “stehende Säule” wobei die Arme aber nicht nur vor dem Körper einen fiktiven Ball halten, sondern in 13 verschiedene Positionen gebracht werden. Es wirkt völlig anders auf mich, auch interessant, aber zur Meditation ist mir die “stehende Säule” oder die Taijiquan Grundstellung, der “aufrechte Stand” besser geeignet.

Abschließend möchte ich mit einem Kurzzitat noch auf den Artikel auf WCTAG hinweisen, wo auch die 5 Ebenen der Regulation und die 3 Phasen der Durchführung beschrieben sind:

Für die Taiji Quan-Praktiker ist die Stehübung das Werkzeug schlechthin, um die Körperhaltung so zu strukturieren, dass alle Gelenke geöffnet sind, die Organe gelöst sind und die Lebensenergie Qi frei im Körper zirkulieren kann. Mit ihr arbeiten wir unsere Körperstruktur und Energievernetzung heraus, wobei das Untere Dantian (Xia Dantian) das elementare Zentrum ist und alle Korrekturen auf das Xia Dantian ausgerichtet sind. Das Prinzip der Stehenden Säule setzen wir in der Bewegungsform fort. Die Taiji-Form ist die Stehende Säule in Bewegung.

Weitere Weblinks zum Thema:
Der Weg der Stehenden Säule und Die Seidenübungen im Chen Stil Taijiquan
Stehende Säule
Stehende Säule (站桩)
Stehende Säule Zhan Zhuang
tehende Säule (Zhan Zhuang)

Vom Wújí zum Tàijí


“Vom Wújí zum Tàijí” klingt total geschwollen, bedenke ich, was ich mir eigentlich notieren möchte. Ich habe in diversen Taijiquan- und Qigong-Kursen schon mehrere Anekdoten gehört, die vom Übergang Wújí zu Tàijí handeln. Ich erinnere mich gerade an eine, die ich auf diesen Notizblog sicher schon erwähnte. Ein Taijiquan-Lehrer (Yang Stil oder ein Derivat davon) erklärte uns, dass die eigene Eröffnung ausgehend von V-förmig aneinander liegenden Füßen (kommt sonst in Taijiquan nicht vor) diesen Übergang symbolisiere. Wie dem auch sei, ich möchte mir jetzt eigentlich nur ein Problem notieren, das ich im Chen Stil seit langer Zeit mit mir herum schleppe. Ich habe es auch schon in anderen Artikeln anklingen lassen, aber jetzt will ich es kurz formulieren, damit ich es endlich auf den Tisch bringe, sobald mein Lehrer wieder aus Chenjiagou zurück ist.
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