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Assoziationen im Volkshirn

Ich schwelge unheimlich gerne im Wissenspool von Wikipedia. Früher hatte ich sogar ein paar Beiträge geleistet, aber jetzt wird das Lesen bzw. Assoziieren (auf einen Link klicken und meine Transmitter ruhig fließen lassen, statt meine Synapsen zu überstrapazieren) schon fast zur Sucht. Vielleicht kennt ihr das, es gibt einem irgendwie das Gefühl der “Allwissenheit”. Nicht im Sinne von Omniszienz gemeint, sondern ich meine damit eher “ach, was wir nicht schon alles wissen”.
Es ist nahezu belanglos wo ich einsteige. Jedes Thema ist dazu geeignet. Schon im Definitionsteil öffne ich oft mehrere Tabs und dann geht es munter weiter, bis zu den Weblinks und Einzelnachweisen finden sich genügend Vernetzungen. Der Startpunkt (“entry point” für Javaisten) ist, wie gesagt, nahezu belanglos, aber ich versuche es zwecks Veranschaulichung mit “Mathematik”. Statt “ich komme auf” schreibe ich zukünftig hier kürzer “–>”.
Mathematik –> Wissenschaft –> Wissen –> Forschung, Lehren, Methodik, Erkenntnis, wissenschaftliche Arbeit und Publikation;
Wissen –> Erkenntnisstheorie –> Philosophie;
Forschung –> Grundlagenforschung und angewandte Forschung
Mathematik –> Naturwissenschaft, Falsifikationismus, Empirie, Beweis (Mathematik, Satz (Mathematik)
Naturwissenschaft –> Astronomie, Physik, Chemie, Biologie, Technik, Medizin, Umweltschutz; Hypothese, Reproduzierbarkeit
Bis zur ersten Ermüdungsphase habe ich ca. 30 Tabs offen und jeweils die ersten Seiten überflogen.
Nach einer kurzen Pause weiß ich welchen Reiter ich anklicken möchte und auf in die nächste Runde. Irgend wann holt mich endlich jemand oder etwas vom PC/Tablet weg, oder der Akku vom Handy ist leer.
Konsolidierung – Firefox merkt sich die letzte Sitzung.
Dadamussichdenken: “Mehr oder weniger gut, dass mein Hirn noch nicht direkt mit dem Volkshirn verbunden ist, sonst erging es den Nissl-Schollen meiner Nervenzellen ähnlich, wie jetzt dem Akku meines Smartphones”.

Die Wikipediagscheitis

waren mir immer schon ein wenig suspekt, aber mittlerweile werden sie zur wirklich nervenden Plage.

dada ich weiß es
gesehen habe ich es genau
dada bin ich schlau
Gehirn des Volkes bist du nicht
und auch nicht dessen Speicher
wenn doch um viele Daten reicher
Verstand ist Sand in dem Getriebe
wo dada unser Wikipediagscheiti bliebe

Vor Jahren habe ich mir einen kurzen Missbrauch von Wikipedia erlaubt. Ich denke, heute ist das gar nicht mehr möglich, aber ich schreibe dort schon lange nichts mehr, daher kann ich es nicht beurteilen.
Jedenfalls stellt ich damals eine sehr wissenschaftlich klingende, aber völlig falsche Formel in Anlehnung an die Bernoulli-Gleichung zur Berechnung der Druckverhältnisse in der Aorta unter bestimmten, aber absurden Voraussetzungen ein. Leider kann ich mich nicht mehr an die Bezeichnung erinnern.
Ich lud mir meine Freunde ein, um Sie in eine Diskussion zu eben dieser Berechnung zu verwickeln und führte sie unauffällig auf die Formel auf Wikipedia.
Ach, wie man da plötzlich prahlte und mich als Dummkopf hinstellte, weil ich Unrecht hatte und als Beweis kamen sie mir mit der Formel, die ich zu dem Zweck erfunden hatte, um Ihnen zu zeigen, das geborgtes Wissen aus Wikipedia kein eigenes Wissen ist und schon gar nichts mit Erkenntnis zu tun hat.
Anschließend habe ich die Formel natürlich gelöscht.
Was will ich damit sagen? Wissen ist Ware und ungleich dem Verstehen in jeder Realität jeder Ordnung. Das Wissen anderer kann man sich ausborgen, aber deshalb hat man noch lange nicht begriffen wovon man eigentlich spricht.
Ich denke, dass Wikipedia ungeheuerlich nützlich und sehr sinnvoll ist. Ich benutze die freie Enzyklopädie selbst gern und oft. Ich halte sie sogar für eine der sinnvollsten Nutzungsmöglichkeiten des Internets, aber trotzdem sollte man nicht unkritisch auf fremdes Wissen zugreifen und es als eigenes ausgeben, bzw. einzelne Passagen als Beweis ansehen.
Heute lacht man darüber, wenn Leute einfach alles unkritisch glauben, was in der Zeitung steht, wie: “Der Erzengel Gabriel ist wieder erschienen”, oder “ein Ufo wurde gesichtet” usw., aber gleichzeitig recherchiert man auf Wikipedia und gibt das dort gefundene als unbedingte Wahrheit aus. Es steht ja auf Wikipedia. Na so etwas, meine Juxformel stand auch auf Wikipedia.
Ein bisschen selbst denken kann auch im Wikipedia-Zeitalter nicht schaden, meine ich dazu.
Wie könnte es anders sein, als dass ich nun ein Zitat aus Wikipedia zu Wissen bringe:

Wissensgeschichtlich gibt es kein Wissen an und für sich, „sondern wird von Gesellschaften immer nur zur Bewältigung ihrer jeweiligen Realitäten hergestellt und angewandt.“ Die Gültigkeit von Wissen ist begrenzt durch den gesellschaftlichen Rahmen und einen „bestimmten historischen Zeitraum“, in dem Wissen einen „Wissenstatus reklamieren kann“.