Nach einiger theoretischen Beschäftigung mit Chi Gung und Tai Chi Chuan (ich habe mich noch immer für kein Romanisierungssystem entscheiden können; nach dem Yale-System heißt es Chi Gung, im Pinyin schreibt man Qi Gong und im Wade-Giles Chi Kung) stieß ich, wie schon in anderen Artikeln beschrieben, vor ca. 18 Monaten auf folgendes Video
https://www.youtube.com/watch?v=OAe95N3T8q8
Dabei wurde mir damals klar, dass mir Theorie nicht genügt und ich Tai Chi lernen muss. Jetzt sehe ich es zwar mit anderen Augen und ich hätte nicht gedacht, dass die Verzückung noch wachsen kann. Aber es ist möglich und zwar bei jeder Figur. Mir fallen immer neue Details auf, jetzt gerade das Ausdrehen des vorderen und das Nachdrehen des hinternen Fußes bei der „gehockten Peitsche“ (auch „Tiefe Peitsche“, oder „Die Schlange kriecht hinunter“) und der schwierige Übergang in den „goldenen Hahn auf einem Bein“. Bei ihr sieht das ganz einfach aus, obwohl sie extrem weit hinunter geht und ihr Rücken dabei gerade bleibt. Ich bewundere diese anmutigen Bewegungen und die graziöse Ausführung, der es deshalb keineswegs an Kraft fehlt. Im Gegenteil, ich vermute sogar mehr Kraft dahinter, als bei so manchen hart ausgeführten Formen, die einzelne Energiewellen deutlich und sichtbar machen.
Nun beginnt das 3. Semester und ich habe die Peking-Form kein einziges mal versucht und kurze Zeit hat mein Engagement, die Kurzform nach Cheng Man Ching zu erlernen, dieses Video sogar in den Hintergrund drängen können. Kommendes Semester werde ich mich wieder mit der Kurzform, 3. Teil, Prinzipienarbeit, Partnerübungen, Anwendungen usw. beschäftigen, aber dann ist die Peking-Form, Säbel, Schwert-, Fächer- und Langform an der Reihe.
Hm, langsam wird mir klar warum Taoisten angeblich sehr alt werden sollen. Wie sonst, sollten sie wohl all‘ diese Formen lernen können?
Mit diesem Video unten, geht es mir heute genau so, wie mit dem oben früher. Mir wird bewusst, dass ich das unbedingt lernen will.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir die Übungen in freier Natur zu unvergleichbaren Erlebnissen werden. Allerdings ist das nur möglich, durch die Übungen zuvor mit Lehrer in einem Übungsraum. Wenn ich das Video so betrachte, kommt mir die Assoziation auf, dass es nicht vorrangig wichtig ist, wo man die Form ausführt. Sicher ist es in der freien Natur besonders schön, aber ich vermute, wer sich so bewegen kann, nähert sich an jedem Ort und zu jeder Zeit der absoluten Freiheit.
Ich dacht ich hätte das Video schon einmal eingestellt, finde es aber leider nicht mehr, daher nun mit den richtigen „tags“ und in der richtigen Kategorie noch einmal:
Warum schreibe ich einen Artikel (mache mir Notizen) über Cheng Manching (Zheng Manqing)? Weil ich bei Nikolaus Deistler im Shambhala Tai Chi bzw. die Kurzform lerne. Genauer gesagt die 37er Kurzform nach Cheng Manching.
Zu Nikolaus Deistler liest man auf der Homepage von Shambhala:
Seit der Jugendzeit Beschäftigung mit fernöstlichen Kampfkünsten.
Taijiquan und Qigong seit 1991. 1993- 00 bei Franz P. Redl, 1997- 08 bei Patrick Kelly.
Seit 2004 Taijiquan und Baihequan mit James Lau K. King (Malaysia).
Seit 2006 Taiji Tanglangquan (Ursprünglicher Gottesanbeterinnen Stil) mit Zhou Zhendong in China…..
und auf Taijiquan ist eine Lebens- und Kampfkunst liest man:
…..
Im Shambhala sind wir dem System von Meister Huang Xingxian (1910-1992) verpflichtet. Dieses System besteht im Grunde aus drei verschiedenen Stilen. Während seiner Jugend lernte Huang das Baihequan, den daoistischen Stil des weißen Kranichs seiner Heimat Fujian, gemeinsam mit dem Luohanstil, einem sehr alten Shaolinstil. Später erlernte er Taijiquan von Zheng Manqing. Huang Xingxian verstand es, alle drei Stile zu einem einzigartigen System zusammenzufügen und so neue Synergien zu nutzen.
Meister Huang Xingxian bzw. Huang Sheng-Shyan, 黃性賢, Huang Hsing-hsien (WG) or Huáng Xìngxián (py) war seinerseits Schüler von Cheng Manching.
Cheng Manching wiederum war Schüler von Yang Chengfu. Der wiederum war ein indirekter Schüler vom Begründer des Yang Stils, von Yang Lu-ch’an, der von der Chen Familie lernte (Chen Changxing).
Ein ganz schön langer Weg, von Zhang Sanfeng bis zu mir. 😉
Hier soll erwähnt sein, dass zwar die 37er Kurzform von Cheng Manching und auch die 24er Form der Chinesischen Sport Kommission vom Yang Style (Yang Chengfu) abgeleitet wurden, aber die heutigen Lehrer der Yang Familie beide Formen nicht als Yang Style anerkennen und eine eigene Kurzform entwickelt haben, siehe 49-form Yang family tai chi chuan.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Grundlagen für die 5 bekanntesten Familienstile gelegt. In Erweiterung liste ich daher 7 weit verbreitete und bekannte Tai Chi Stile auf (es gibt mehr; Familienstile): 1.) Chen-Stil (chin. 陳氏) im „alten Rahmen“ (Da Lao Jia) nach Chen Changxing (1771-1853), nach Chen Qingping im „neuen Rahmen“ (Da Xin Jia) (1795-1868) oder im „kleinen Rahmen“ (Xiao Jia) (~1950 Dorf Chen) 2.) Yang-Stil (chin. 楊氏, yángshì) nach Yang Luchan; im „großen Rahmen“ nach Yang Chengfu (1883-1936) oder im „kleinen Rahmen“ nach Yang Banhou (1837-1892) 3.) Wu/Hao-Stil (chin. 武(/郝)氏, wǔ(/hǎo)shì) nach Wu Yuxiang (1812-1880) 4.) Wu-Stil (chin. 吳氏, wúshì) nach Quanyou (1834-1902) und Sohn Wu Jianquan (1870-1942) 5.) Sun-Stil (chin. 孫氏) nach Sun Lutang (1861-1932)
und als sechsten Stil rechne ich die weit verbreiteten und beliebten 6) Wudang Tai Chi Chuan nach Cheng Tin Hung (*1930 – †2005) 7.) Moderne Formen abstammend vom Yang Stil; Yang Chengfu 楊澄甫
7 a) 37er Kurzform nach Zhèng Mànqīng 鄭曼青 1901-1975
7 b) Beijing 24 Form nach Chinesischer Sport Kommission 1956
7 c) 42 Competition Form (Wushu competition form combined from Sun, Wu, Chen, and Yang style; 1989)
Zhèng Mànqīng (chin. 鄭曼青, W.-G. Cheng Man-ch’ing, * 1901; † 26. März 1975) war ein chinesischer Taijiquanmeister, Künstler und Arzt. Er ist bekannt dafür, dass er der erste Lehrer war, der Taijiquan im Westen verbreitet hat.
Zheng Manqing war von 1928 bis 1935 ein Schüler von Meister Yang Chengfu im Yang-Stil des Taijiquan. Bis zum Jahre 1946 entwickelte er aus den 108 Stellungen des Yang-Stils eine stark vereinfachte Kurzform in 37 Bildern. Nach der Übernahme der Macht der Kommunisten in China im Jahr 1949 floh er nach Taiwan, wo er als Lehrer arbeitete. 1964 ging er nach New York City, wo er viele Anhänger fand und als einer der ersten asiatischen Lehrer überhaupt das Taijiquan mittels dieser vereinfachten Form an westliche Schüler weitervermittelte.
In seinem Unterricht legte Zheng Manqing besonderen Wert auf die Einhaltung der Prinzipien des Yang-Stil Taijiquan sowie auf die Überprüfbarkeit der Fähigkeiten seiner Schüler durch das Tuishou oder „Push Hands“, einer der Partnerübungen des Taiji, die in vielen westlichen Schulen bis heute vernachlässigt oder gar nicht unterrichtet wird. Zheng Manqings Fähigkeiten im Tuishou sind vielbeachtet und filmisch dokumentiert worden.
Er veröffentlichte verschiedene Bücher über seine Kurzform und die Prinzipien des Taijiquan, darüber hinaus schrieb er Bücher über Kunst, Medizin und Poesie.
Zheng Manqings Person und sein Stil geraten immer wieder in die Kritik. Seine Kurzform wird von der offiziellen Yang-Familienlinie nicht anerkannt. Anhänger seiner Person und seines Stils vertreten die Meinung, dass „gutes Taijiquan“ nur durch überprüfbare Fähigkeiten (wie z.B. im Tuishou) bewiesen werden könne und die Form nur „die Angel, um den Fisch zu fangen“ ist, also das Mittel zum Zweck, die Prinzipien des Taijiquan zu verstehen und umsetzen zu können.
Der letzte Absatz gefällt mir besonders und obwohl ich es nicht beurteilen kann, bin ich trozdem der Meinung, dass Tuishou bzw. Push hands eine geeignete Methode ist, um Tai Chi Fähigkeiten zu verifizieren.
Das Video „Chen Manching Yang taichi shot form (full set)“ ist zwar technisch in schlechter Qualität, dafür ist die Qualität der Demonstration um so besser:
Zum Vergleich die Yang Kurzform 49-form
bzw. Yang Jun – Traditional Yang Style Tai Chi Chuan 49
29) Körperdrehung und Fersenkick
Zurück zur Kurzform im Yang Style nach Cheng Man Ching.
Nach dem Kick links bleiben beide Hände, während des Hüftschwungs (von links nach rechts) vor dem Körper und der linke Fuß wird weit nach hinten (Zehenspitze) gesetzt. Dann erfolgt eine rasche Drehung auf der Ferse wobei die Hände vor dem Körper mitschwingen und sich in der Endposition überkreuzen. Das rechte Handgelenk wird so außen auf das linke gelegt, dass sich die Hände vor dem Hals bzw. vor dem oberen Brustbereich kreuzen. Es erfolgt eine Drehung zurück, dabei ist das Gesicht auf dem rechten Fuß und der linke twistet auf den Zehen mit. Die Hände werden beide gedreht, so dass die Handflächen nach außen zeigen. Das linke Bein ist nicht belastet nur die Zehen berühren den Boden, es ist schon bereit zum Fersenkick. Wir drehen wieder in die Position zurück die wir nach der raschen Drehung hatten und dabei öffen sich die Arme und Hände wie bei den vorherigen Kicks. Das linke Bein wird bis auf Hüfthöhe angehoben, wobei sich Ellbogen und Knie fast berühren und dann wird der Fuß nun mit der Fußsohle ausgeführt. Dabei werden auch die Arme gestreckt. Natürlich werden sie nicht ganz durchgestreckt, das kommt ja während der ganzen Form nicht vor, dass die Beine oder Arme ganz durchgestreckt werden. Dann wird der Fuß abgesetzt und die Hüfte geschlossen, so dass die Hände vor dem mittleren Dantian zueinander zeigen.
Zurück zur Kurzform im Yang Style nach Cheng Man Ching.