Der Taiji-Baum

Taiji-Baum; genehmigte Quelle Bernhard Stockmann
Taiji-Baum; genehmigte Quelle Bernhard Stockmann
Manchmal denke ich über den Sinn und Unsinn des Lebens nach. Manchmal über Zeit, das Dao und De (dem Weltgesetz und seinem Wirken), die Geschichte, den Sinn und der Entwicklungsmöglichkeit von Taijiquan. Oft geht dann meine Fantasie mit mir durch und ich tagträume unglaubliche Geschichten. Der Taiji-Baum ist eine davon.

Diese Geschichte begann vor mehr als 3000 Jahren, als ein Daoist unbekannten Namens den Taiji-Baum entdeckte. Auch der genaue Ort ist ungewiss, aber er soll vom höchsten Berg des Himalayas aus, Richtung Mongolei gestanden haben. Manche behaupteten aber, es war Richtung Indien. Andere sagten, er wuchs in Tibet und ich hörte auch davon, dass am Fuße des Berges, auf dem er wuchs Shambhala lag. Jedenfalls war das kleinen Plateau über der Baumgrenze und es war sehr verwunderlich, dass in dieser Höhe noch ein Baum wachsen konnte. Es gab ganz wenig Erde und lediglich ein paar Grasbüschel auf dem winzigen, steil und schrägen Plateau, das ringsum von hohen fast senkrechten, einige 100 Meter hohen Felswänden umgeben war.
Der Daoist wollte in einem extrem gefährlichen Aufstieg, den Gipfel bezwingen, was nahezu unmöglich für einen Menschen war. Als er den Taiji-Baum entdeckte, konnte er es nicht fassen, dass dieser Baum auch noch Früchte trug. Es waren kleine granatapfelartige, bittere und hölzerne Früchte, die man kaum essen konnte. Der an Entbehrung gewöhnte Daoist konnte damit aber überleben und so blieb er eine Woche lang meditierend und betend, sich nur von der Frucht des Taiji-Baums ernährend auf dem winzigen Plateau. Er schlief nur einige Stunden und unter beten verstand er die Zelebration von Bewegungen, die den späteren Qigong- und Taijiquan-Bewegungen ähnelten. Am sechsten Tag, waren die Früchte aufgebraucht und am siebten Tag wagte der Daoist den Abstieg. Dabei bemerkte er, dass er über unglaubliche Kräfte und Fähigkeiten verfügte. Kein Tier konnte sich so geschickt und leicht am steilen Fels bewegen. Er verfügte auch über eine Ausdauer und Körperkraft, wie sie noch nie zuvor ein irdisches Lebewesen hatte.
Seiner Lebensweise entsprechend, lebte er weiterhin in den Wäldern und Bergen und besuchte nur selten Dörfer und Städte, um sich mit Kunst und Wissenschaft zu beschäftigen. Völlig unauffällig und immer darauf achtend, dass niemand etwas von seinen Kräften und Fähigkeiten merkte. Er setzte sie kaum jemals ein und wenn, dann möglichst heimlich. Einmal rettete er eine wandernde Familie von einer Bande aus Mördern und Räubern, doch selbst wenn einer der Geretteten von dem Erlebten erzählt hätte, glaubte ihm sicher keiner, oder hielt ihn höchstens für verrückt.
Der Daoist hatte eine paar Freunde und fand auch einen Schüler mit denen er sein Geheimnis teilte. So bildete sich in einigen Jahren ein Gruppe von Taiji-Baum Daoisten, die ihr Geheimnis warten und ein Meister (erfahrener Daoist) gab zur gleichen Zeit immer nur an einem Schüler sein Wissen weiter. Manche Meister fanden nie einen Schüler, mache hatten bis zu drei, vier oder gar fünf in ihrem Leben.
Sie fanden bald heraus, dass die von den Taiji-Baum-Früchten verliehenen Fähigkeiten und Kräften, bei einigen das ganze Leben lang anhielt und bei anderen nur ein paar Jahre. Außerdem wusste man bald, dass der Taiji-Baum nur 8 mal im Jahr eine Woche lang Früchte trug. So konnten maximal zwei mal acht Daoisten (acht Meister und acht Schüler) jährlich in den Genuss der Früchte kommen. Doch in Wahrheit waren es wesentlich weniger, denn in manchen Jahren versuchte den lebensgefährlichen Aufstieg keiner und in anderen Jahren, kamen von 10 Menschen nur die zurück, die ohnehin schon die Kraft der Taiji-Frucht hatten. Jahrhunderte lang waren es immer nur einige wenige, die über diese ungeheuren Kräfte und Fähigkeiten verfügten.
Einige der Taiji-Baum-Daoisten beendeten ihr Einsiedler-Dasein in Laufe ihres Lebens und lebten, als unauffällige Bürger wieder in der Zivilisation. Jeder hatte den Schwur geleistet, das Geheimnis zu bewahren und so geschah es auch. Eines Tages aber, musste ein Ex-Taiji-Baum-Daoist namens Zuo Jiaquer, nach der Rückkehr zu seinem Bauernhof entsetzt erfahren, dass seine Familie grausam ermordet wurde. Er vergaß alles, wie sich selbst und suchte die Täter. Es waren etwa hundert Soldaten vom Nordkönig, also einem, der 5 verfeindeten Könige, im Reich der Mitte. Er tötete fast alle und verfolgte den Rest. Dies konnte nicht mehr geheim bleiben und der Ostkönig, der gerade den Nordkönig belagerte, trat mit Zuo Jiaquer in Verbindung. Zuo Jiaquer unterstützte den Ostkönig, um seine Familie zu rächen und so wurde der Nordkönig schnell besiegt. Doch Zuo Jiaquer blieb auch nach dem Sieg am königlichen Hof und so nahm das Unheil seinen Lauf, denn der Ostkönig entlockte ihm mit List und Tücke sein Geheimnis. Es kam die Zeit, der Pilgerzüge zum Taiji-Baum. Der Ostkönig schickte Scharen seiner Soldaten hinauf und einige wenige schafften es tatsächlich und holten die Früchte für den König. Heimlich aßen sie auch selbst davon, doch keiner merkte etwas von besonderen Fähigkeiten. Sie wussten nicht, dass man eine Woche oben bleiben musste, meditieren und taijidaoistisch beten musste und sich ausschließlich von den Früchten ernähren durfte, um die Wirkung zu erfahren. Mit Hilfe von Zuo Jiaquer eroberte der Ostkönig auch alle übrigen Königreiche und wurde der erste Kaiser. Zuo Jiaquer wurde vom schlechten Gewissen geplagt und daher verriet er dem Kaiser nur das halbe Geheimnis und suchte nach Erklärungen für die nicht eintreffende Wirkung bei anderen. Er sagte, es liegt daran, dass der Baum da oben zu schwach geworden sei und man ihn düngen müsste. Mit unvorstellbarem Aufwand begann der Kaiser den Baum nun zu düngen und zu veredeln. Der Aufwand war ähnlich dem, die 10.000 Li lange Mauerzu errichten, aber die Taiji-Baum-Frucht zeigte trotzdem keine Wirkung. Inzwischen trug der Baum durch Veredelung schon die verschiedensten, herrlich aussehenden und schmeckenden Früchte, nur die erhoffte Wirkung blieb weiterhin aus. Jeden Tag musste man damit rechnen, dass der schwer behangene Baum bei dem nächsten Windstoß in die Tiefe stürzt, da er sich auf den Felsen ja nicht weiter verwurzeln konnte, obwohl man schon tiefe Rinnen in den Fels stemmte und mit Erde füllte. Einen einzigen kleinen Sack mit Erde hoch zu bringen kostete oft hunderten Soldaten das Leben und so gab man nach einigen Jahren auf. Noch dazu, war Zuo Jiaquer verschwunden und daher hielt man die Geschichte für Betrug. Ob sich der Baum erholt hat, oder ob er in die Tiefe stürzte ist nicht bekannt und von Zuo Jiaquer wird vermutet, dass er den Rest seines Lebens wieder als Daoist auf einem der heiligen Berge lebte.

2 Gedanken zu „Der Taiji-Baum“

    1. Hallo Angelika, Es freut mich, dass sie dir gefällt. In den letzten Wochen habe ich weniger Zeit mit Taijiquan verbracht als üblich, aber ich steigere mich gerade wieder. Irgendwann laufe ich dann wieder über und muss eine kleine Geschichte schreiben und darauf folgt wieder eine abnehmende Periode. Manchmal kommt mir vor, als würde mein Verhältnis zu Taijiquan von den Mondphasen abhängig sein.
      Momentan lasse ich mich gerade von deinen “3 Gründe für`s draußen üben” inspirieren. Darüber schrieb ich auch schon ein paar Notizen, also ich beschäftigte mich damit. Deine Worte dazu gefallen mir recht gut, obwohl ich nicht nur die Sonne ins Herz lassen möchte, sondern auch die Wolken zu fangen versuche. 😉 LG aus Wien

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